Faces and Stories


Wolfgang Puschnig und Duos: Ein Déjà-vu. Ein Album voller Zwiegespräche mit wechselnden musikalischen Partnern - wie damals, 1988. „Pieces of The Dream“ hieß die Platte. Sie war eine besondere: Puschnigs Debüt unter eigenem Namen. 32 Jahre alt war er zu diesem Zeitpunkt, bekannt als einer der führenden Solisten des „Vienna Art Orchestra“, des international erfolgreichen Bigband-Flaggschiffs der jungen österreichischen Jazz-Postmoderne. Wolfgang Puschnig sollte es ein Jahr später, 1989, verlassen, um sich auf Solokarriere-Pfade zu begeben. Gut vorbereitet auch durch Bandprojekte wie „Part of Art“, „Air Mail“ und die „Pat Brothers“, die in den 1980er-Jahren auf Europas Festival-Bühnen bejubelt wurden, und an denen Puschnig federführend beteiligt war. „Pieces of The Dream“ signalisierte Aufbruch, Initialzündung, Freude auf Zukünftiges.



28 Jahre später sind die Vorzeichen andere. „Faces & Stories“ klingt gelassen, beinahe nüchtern. Der Blick ist teilweise ein retrospektiver, rekapitulierender. Wolfgang Puschnig ist seinen Weg gegangen, hat tiefe Spuren im europäischen Jazzparcours hinterlassen. Projekte wie „Red Sun & Samul Nori“ stehen zu Buche, die vor allem in den 1990er-Jahren für Furore sorgende Zusammenarbeit mit den Meistertrommlern aus Südkorea. Auch die wegweisende Konfrontation von tiefschwarzem, von Ornette Colemans „Harmolodics“ beeinflusstem Funk-Jazz und traditioneller österreichischer Blasmusik in „Alpine Aspects“. Aus jüngerer Vergangenheit sei „For The Love of It“ genannt, ein vielstimmiges, Genre-übergreifendes Experiment in Sachen musikalischer Lyrik, das Klänge aus Jazz, Volks- und klassischer Musik vereinte - und Puschnig dorthin zurück führte, wo er selbst und vieles von dem herkommt, das ihn als Musiker unverwechselbar macht: Sind seine kantablen Linien und Seufzer am Altsaxofon doch tief geprägt vom schwermütigen slawischen Melos der Lieder Kärntens. Wolfgang Puschnig, das ist heute der wunderbare Modellfall eines europäischen Musikers, der im rasch identifizierbaren Ton seine Herkunft reflektiert und doch zugleich kosmopolitische Offenheit beweist. Sukzessive ist er mit den Jahren auch zum vielrespektierten „Elder Statesman“ des österreichischen Jazz mutiert, der sein Wissen bereitwillig an Jüngere weiter gibt.



Ein Kreis schließt sich. Duo sei die intensivste Form des Zusammenspiels, weil man in dieser Konstellation relativ ’nackt’ sei. Man müsse mit viel mehr Energie agieren als im Kontext einer Band, so sagte Wolfgang Puschnig schon vor Jahren. Und auch, dass es die intimste, persönlichste Form des musikalischen Austauschs sei. „Faces & Stories“ hat denn auch etwas von einem klingenden Fotoalbum, in dem Begegnungen mit nahen Menschen festgehalten sind. Eine Sammlung von akustischen Geschichten und Erinnerungen. Einige der DuopartnerInnen waren schon auf „Pieces of The Dream“ zugegen: Die legendäre Komponistin und Pianistin Carla Bley, in deren Big Band Puschnig seit den 1980er-Jahren als Solist mitwirkt. Sängerin Linda Sharrock, mit der ihn lange Jahre eine gleichermaßen intensive wie fruchtbare Partnerschaft verband. Der einst bei Ornette Coleman tätige E-Bassist Jamaaladeen Tacuma, Puschnigs „Zwillingsbruder“ aus Philadelphia. Oder auch Saxofonist Hans Koller, die 2003 82-jährig verstorbene Vaterfigur des modernen österreichischen Jazz.

Andere Stücke - mit dem New Yorker Geiger Mark Feldman, der mährischen Sänger-Violinistin Iva Bittová, dem einst in Wien lebenden tunesischen Sänger und Oud-Spieler Dhafer Youssef oder dem verstorbenen indischen Meistertrommler Pandit Arjun Shejwal, der hier seine brüchige Stimme erhebt - sind Puschnig über die Jahre zugewachsen. Bei wiederum anderen handelt es sich um langjährige und noch immer aktuelle Wegbegleiter: Der 75-jährige E-Bassisten-Poet Steve Swallow sei erwähnt. Oder Jon Sass, der in Wien lebende New Yorker Tubist, den Puschnig noch aus „Vienna Art Orchestra“-Tagen kennt. Der armenische Pianist Karen Asatrian und sein Wiener Kollege Paul Urbanek. Und auch das Kärntner Gesangsquartett „Schnittpunktvokal“.

Puschnig wäre indessen nicht Puschnig, wären da nicht auch neue Gesichter an seiner Seite: Etwa die kroatische Cellistin Asja Valcic, bekannt aus dem „Radio.String.Quartet.Vienna“. Der aus Burkina Faso stammende Balafon-Virtuose Mamadou Diabaté. Wie auch Puschnigs 17-jähriger Sohn Samo Weidinger. Es sind sehr persönliche, fast private Momentaufnahmen, die Wolfgang Puschnig hier mit der Hörerschaft teilt. Wobei ein Teil der Botschaft in der Offenheit und im Respekt liegen, mit dem der Altsaxofonist und Flötist den so unterschiedlichen Charakteren auf Augenhöhe entgegen tritt. O-Ton Wolfgang Puschnig: „Was für mich das Wichtigste ist, und was hoffentlich auch in der Musik zu spüren ist, das ist die Liebe - als Energie. Die muss dabei sein. Sie verleiht der Musik eine zusätzliche Dimension.“